Es ist eine Tatsache, dass mehr Männer als Frauen Führungspositionen innehaben. Eine Veränderung findet nur langsam statt und erfordert noch einiges an Arbeit in der Gesellschaft und in Organisationen. Jessica Schlick und Viktoria Undesser von Herizon Collective haben es sich zum Ziel gesetzt, mehr Frauen dazu zu ermutigen, in ihrem Leben in Führung zu gehen. Dabei ist den beiden Gründerinnnen wichtig, Praxis und Wissenschaft zu verbinden. Ich habe die beiden interviewt – und dabei festgestellt: sie nach haben noch viele Pläne, um Gender Diversity in Organisationen zum Alltag zu machen.
Jessica und Viktoria, mit Herizon Collective habt ihr eine Plattform für Female Empowerment geschaffen, die Frauen dazu ermutigen soll, Führung zu übernehmen und ihre eigene Art von Erfolg zu definieren. Das ist eine sehr spannende Mission, wie ich finde. Wie seid ihr denn dazu gekommen?
Viktoria: Für mich hat es sich aus meiner Arbeit in der Beratung ergeben. Ich habe sehr viele Unternehmen kennengelernt, in denen nur oder hauptsächlich Männer in Führungspositionen aktiv waren. Anfang 2020 war ich dann in ein Projekt involviert, bei dem vieles ganz anders ablief. Auf einmal befand ich mich in einem Unternehmen, dessen Leadership-Team zu 70% aus Frauen bestand. Ich bin aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen; plötzlich waren Dinge, die sonst als zu teuer, zu kompliziert oder schlichtweg nicht möglich abgestempelt wurden, überhaupt kein Problem mehr. Ob Betriebskindergarten, private Räume, in denen gestillt/gepumpt werden konnte, Frauenförderungsprogramme (die tatsächlich etwas bringen) – all das war dort ganz normal. Da habe ich gesehen, es geht auch anders. Allerdings nur, wenn diejenigen, die diese Dinge am meisten brauchen, in der Position sind, sie auch umzusetzen.
Jessica: Als Frau, die Karriere machen will und gleichzeitig Mutter einer kleinen Tochter ist, sehe ich das ganz genauso. Für mich ist das aber ein Thema, dass mich tatsächlich schon sehr lange interessiert und begleitet. Ich habe meine Masterarbeit zum Thema Gender & Leadership in Central Europe geschrieben. Im Zuge meines Researchs habe ich 10 Frauen, die in Top Management Positionen für große internationale Unternehmen tätig sind, interviewt. Dabei hat sich herausgestellt, dass wir, was Gender Equality angeht, bei weitem noch nicht im 21. Jahrhundert angekommen sind. Die Steine, die Frauen immer noch in den Weg gelegt werden, und die Hürden, die Frauen auf dem Weg nach oben überwinden müssen, werden oft nicht einmal wahrgenommen. Wir haben einfach akzeptiert, dass manche Dinge „halt so sind“. Das wollen wir ändern. Als Frauen müssen wir einander unterstützen und in unserem Tun bekräftigen. Nur dann werden wir die Veränderungen, die wir in der Gesellschaft erreichen wollen, auch sehen können.
Warum ist es so wichtig, dass jede Frau ihre eigene Art von Erfolg definiert?
Wir sind (zum Glück) alle anders. Wir haben unterschiedliche Werte und Vorstellungen davon, was ein erfolgreiches Leben ist. Sich bewusst hinzusetzen und Erfolg für sich selbst zu definieren ist der erste (sehr große) Schritt in Richtung Verwirklichung und Realität. Es macht keinen Sinn, auf eine Definition von Erfolg – sei es die der Mama, der Gesellschaft oder der besten Freundin – hinzuarbeiten, wenn diese nicht unserer eigenen entspricht. Denn das wird uns langfristig nicht glücklich machen. Deswegen ist es umso wichtiger, sich bewusst zu machen, dass Erfolg für jede von uns anders aussieht, und sich intensiv mit der eigenen Vorstellung von einem erfolgreichen Leben auseinandersetzen.
Was bedeutet für euch Female Empowerment?
Female Empowerment bedeutet für uns, dass jede Frau selbstbestimmt entscheiden kann, was sie mit ihrem Leben machen möchte und hierfür die nötige Unterstützung hat – sei es von ihrer Familie, ihren Freunden oder der Gesellschaft hat. Nicht jede Frau möchte Managerin werden und das ist okay. Genauso ist es in Ordnung, keinen Kinderwunsch zu haben. Das bedeutet, dass Frauen von klein auf die gleichen Möglichkeiten bekommen müssen wie Männer und tatsächlich alles werden können, was sie möchten: ob Vollzeit Mutter, Hausfrau, Ärztin, Astronautin, Kindergärtnerin oder Chemikerin. Nur echte Chancengleichheit wird Veränderung bringen.
Wo liegt für euch der Schlüssel, um mehr Frauen in Führung zu bringen?
Was wir immer wieder ganz klar betonen ist, dass wir Frauen nicht „kaputt” sind. Wir müssen weder männlicher, lauter noch aggressiver werden, um uns für Führungspositionen zu eignen. Ganz im Gegenteil, es gibt tausende Studien, die belegen, dass Unternehmen, die Diversity schätzen und dieses Prinzip auch leben, erfolgreicher sind als jene, deren Vorstand ausschließlich weiß, männlich und über 50 ist. Was das bedeutet, ist einfach, dass unser System in vielerlei Hinsicht kaputt ist. Die Stärken, die viele Frauen haben, werden nicht ausreichend geschätzt oder oft sogar als Schwächen wahrgenommen. Leider ist es aber so, dass das wir aktuell in und mit diesem System leben müssen. Um es zu verändern, müssen wir es mit jenen Frauen (und Männern) durchbrechen, die etwas daran ändern wollen. Das wird uns aber nur gelingen, indem wir zusammenarbeiten, einander unterstützen und stärken. Anstatt einander noch mehr Steine in den Weg zu legen, müssen wir den Weg für andere Frauen ebnen.
Ihr setzt mit Herizon Collective insbesondere auf zwei Aspekte: Netzwerkaufbau in einer Community und Training & Weiterbildung. Warum habt ihr euch gerade dafür entschieden?
Ein starkes Netzwerk und gezielte Trainings sind die Bereiche, mit denen wir zurzeit die meisten Frauen ansprechen und auch das meiste erreichen können.
Wissen ist Macht; deswegen arbeiten wir mit professionellen Trainer*innen und Coaches sowie erfahrenen Frauen, die Expert*innen auf ihrem Gebiet sind, um möglichst viel Wissen weiterzugeben.
All das Wissen nützt aber nichts, wenn man nicht die richtigen Connections hat. Teil eines Netzwerks zu sein, auf das man jederzeit zurückgreifen kann, ist von unschätzbarem Wert. Wir alle stoßen von Zeit zu Zeit auf Hindernisse, die wir alleine nicht überwinden können, oder Themen, in denen wir keine Expertise haben. In solchen Zeiten ist es gut zu wissen, bei wem man anklopfen kann, um unkompliziert und schnell Hilfe und Unterstützung zu bekommen. Das ist genau das, was wir mit Herizon erreichen wollen.
Langfristig wollen wir Frauen aber auch durch andere Initiativen unterstützen. Wir können uns gut vorstellen, direkt mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, um interne Systeme und Kulturen zu verbessern. Wir werden sehen, wo die Reise hingeht!
Wie muss man sich eure Community vorstellen und wo setzt ihr inhaltliche Schwerpunkte?
All unsere inhaltlichen Schwerpunkte zielen darauf ab, sich persönlich und/oder beruflich weiterzuentwickeln. Sie sollen Denkanstöße und Möglichkeiten zum Lernen geben.
Jeder Monat steht unter einem anderen Thema. Im September sprechen wir viel darüber, wo die (berufliche) Reise hingehen soll und wie wir uns dafür am besten vermarkten und verkaufen können. Im Oktober ist das Hauptthema Networking, dessen Wichtigkeit vielen Frauen noch nicht bewusst ist, und im November erklärt eine Expertin, wie wir unser Gehalt besser verhandeln können, um das zu bekommen, was wir wert sind.
Unsere Mitglieder sind natürlich aktiv an der Wahl der verschiedenen Themen beteiligt. Wo brauchen sie Unterstützung, in welchen Bereichen wollen sie sich weiterentwickeln? Natürlich nutzen wir aber auch Forschung und Studien, um zu sehen, welche Themen am aktuellsten und wichtigsten sind bzw. welche Fähigkeiten besonders gefragt sind.
Grundsätzlich organisieren wir regelmäßige Trainings und Networking Events für unsere Mitglieder. Alle Trainings werden aufgezeichnet und auf unserer Mitgliederseite veröffentlicht, damit diese jederzeit Zugriff darauf haben, falls sie einmal nicht live teilnehmen können. Zusätzlich gibt es auch Workbooks und Arbeitsblätter, die unsere Mitglieder nutzen können, um sich weiterzuentwickeln. Weitere Informationen sind auf unserer Website und auf unseren Social-Media-Kanälen. Auch kann man uns gerne direkt schreiben.