Mein erstes Businessjahr in Spanien

von | Jul 14, 2022 | Blog

Nun sind wir also schon über ein Jahr hier. Ich kann mich noch genau erinnern, wie wir Ende Mai 2021 – mitten in einer weltweiten Pandemie – unsere Umzugskisten und Koffer packten und die Aufregung gefühlt von Sekunde zu Sekunde stieg.

Falls du es nicht wusstest: Letztes Jahr bin ich mit meinem Mann, meinem Business sowie Hund Nero und Katze Stella von Deutschland nach Spanien gezogen – genauer gesagt von Bayern nach Katalonien, in den Großraum Barcelona.

Und da die letzten Monate ziemlich lehrreich, ziemlich turbulent und natürlich auch voller interkultureller Erkenntnisse waren, möchte ich dich in diesem Beitrag einmal mitnehmen in mein erstes Businessjahr in Spanien.

Vielleicht einmal vorab: Ich habe mich direkt nach meinem Abitur für ein Romanistik-Studium entschieden und habe bereits während meines Studiums 7 Monate als Au-Pair in Galicien gearbeitet, so dass man sagen könnte, ich kannte Spanien schon vorher etwas und beherrsche auch die spanische Sprache. Dennoch habe ich mittlerweile erkannt, dass es einen Riesenunterschied macht, ob man als Studentin für ein Semester ins Ausland geht oder ob man mit Sack, Pack und beruflichen Verpflichtungen umzieht.

Formalitäten

Starten wir einmal mit den Basics. Beginnen wir mit den Formalitäten Der erste Schritt, wenn man als Ausländer*in nach Spanien geht, ist, eine NIE (Número de Identificación de Extranjero) zu beantragen. Diese Nummer ist gleichzeitig Identifikationsnummer (vergleichbar zum Personalausweis) und Steuernummer. Ohne NIE geht in Spanien gar nichts. Damit meine ich wirklich gar nichts. Man kann keine Küchengeräte oder Möbel kaufen, keinen Internetanschluss bestellen, kein Konto eröffnen und nicht mal ein Paket an der Haustür annehmen. Somit ist man also nur mit NIE in Spanien ein ganzer Mensch.

Dennoch ist es gar nicht so easy, an die NIE zu kommen. Man benötigt dafür einen Termin bei der Polizei, den Nachweis einer Aufenthaltsberechtigung (zum Beispiel durch Arbeitsvertrag oder Ehevertrag) sowie einen mehrstelligen Geldbetrag auf einem spanischen Bankkonto (abhängig von der Größe der Familie). Ja, ich weiß, die Katze beißt sich hier in den Schwanz, da die Eröffnung des Bankkontos ja eigentlich nur mit NIE geht, die NIE aber nur mit Bankkonto. (Kennt jemand noch den Hauptmann von Köpenick als Schullektüre?) Wir hatten an dieser Stelle glücklicherweise Unterstützung, so dass es für uns kein Problem war.

Einen Termin für die NIE zu erhalten, ist auch deshalb eine größere Herausforderung, weil die Termine von darauf spezialisierten Agenturen bereits lange im Voraus reserviert werden. Diese verlangen dann Geld dafür, Ausländer*innen bei der Anmeldung zu unterstützen. Hier gibt es jedoch einen Trick, nämlich die NIE nicht in Barcelona direkt, sondern in einem der umliegenden Dörfer zu beantragen. Hier stehen die Chancen größer – und wir haben auch gleich etwas von der Umgebung entdeckt.

Die Anmeldung zur Selbstständigkeit war dann hingegen schon einfacher, weil ich hier Unterstützung von meinem spanischen Steuerberater hatte. Nachdem ich alle relevanten Dokumente vorgelegt hatte, hatte ich schon nach kurzer Zeit und einem relativ geringen Aufwand eine spanische Steuernummer für mein Business (abgeleitet von meiner NIE) sowie eine spanische Sozialversicherung. Was ich übrigens auch nicht wusste? – Das erste Businessjahr zahlen Gründer*innen einen verminderten Beitrag zur Sozialversicherung in Spanien. Dies soll der Gründungsförderung dienen.

Das öffentliche Gesundheitswesen in Spanien wird übrigens von allen Spanier*innen, mit denen ich gesprochen habe, gelobt. Hier hat man im Großraum Barcelona auch Zugang zu mehreren Universitätskliniken. Kurios für uns Deutsche ist vielleicht nur, dass Behandlungen beim Zahnarzt (fast) nicht in der Krankenversicherung inkludiert sind und dafür sozusagen eine private Zusatzversicherung notwendig ist.

Lebensrhythmus

Ich sage es gleich vorab: Ich liebe den spanischen Lebensrhythmus. Mittlerweile. Denn zu Beginn war es für uns doch eine große Umstellung. Auch wenn ich es noch aus meinen Au-Pair-Zeiten wusste, dass das Mittagessen erst gegen 15 Uhr stattfindet und das Abendessen zwischen 21 Uhr und Mitternacht – irgendwie war es letztendlich dann doch noch einmal etwas anders für mich. Mittlerweile haben wir unseren ganz persönlichen deutsch-spanischen Mischrhythmus gefunden, aber ich musste mich erst einmal daran gewöhnen.

Vor allem die Lichtverhältnisse sind hier halt einfach noch einmal anders. Die Sonne geht viel später unter. Die Kinder gehen gegen 20 Uhr zum Spielen in den Park und ein Hundespaziergang im Sommer ist aufgrund der Hitze nur vor 10 Uhr oder nach 21 Uhr möglich. Es sind aber auch einfach Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen. Die Müllabfuhr kommt gegen Mitternacht, Pakete werden bis 22 Uhr abends und auch sonntags geliefert und es ist nicht ungewöhnlich, dass der Pizzalieferant erst gegen 23 Uhr zu den Nachbar*innen kommt.

Zum Leben mit der Hitze kann ich sagen, dass wir in diesem Jahr mittlerweile mehrere Hitzewellen und unzählige Waldbrände miterlebt haben. Hitzewellen an sich sind wohl nichts ungewöhnliches für Spanien, aber die Häufigkeit, Intensität und Dauer ist wohl in den letzten Jahren massiv gestiegen, was Wissenschaftler*innen auf den Klimawandel zurückführen. Und so ein Waldbrand vor der Haustür ist halt auch einfach ein komisches Gefühl. Das mit dem Klimawandel ist ein Thema für einen anderen Zeitpunkt – aber mein persönliches Bewusstsein ist auf jeden Fall noch einmal gestiegen.

Das mit der Siesta am Nachmittag ist hier eher nicht so verbreitet. Was es jedoch gibt, ist, dass kleinere Geschäfte mittags (also ca. 14 – 16 Uhr) ihre Türen schließen und dann um 16 Uhr wieder bis 20:30 Uhr oder 21 Uhr öffnen.

Im August fährt das Leben hier jedoch komplett runter. Es ist überall Sommerpause und das öffentliche Leben kommt zum Stillstand. Geschäfte und Einrichtungen schließen für einen Monat ihre Türen und die Spanier*innen machen Urlaub. Dies liegt inmitten der großen Schulferien, die hier von Ende Juni bis Mitte September gehen und Eltern an ihre Belastungsgrenzen bringen. Wir selbst werden diesen Rhythmus diese Jahr auch ausprobieren und haben unseren großen Jahresurlaub für den August geblockt.

Arbeiten in Spanien

Wie sieht nun das Arbeitsleben in Spanien aus? – Nun ja, ich arbeite ja als „Autónoma“ (Selbstständige) und kann mir daher Vieles so einrichten, wie es für mich passt. Insgesamt kann ich aber sagen, dass das Online Business aus Spanien für mich super funktioniert. Das Internetnetzwerk ist besser ausgebaut als in meiner Heimat Bayern und ich hatte bisher keine Probleme meine Onlinevorlesungen, Coachings, Trainings, Mentorings und Beratungen von hier aus zu geben.

Für mich ist es also die perfekte Lösung, da ich örtlich flexibel aus dem Ausland mit deutschen Kund*innen arbeiten kann und eine tolle Homebase habe. Denn das Leben als digitale Nomadin kommt für mich nicht in Frage. So habe ich aber eine gute Mischung. The best of both worlds sozusagen.

Wenn man jedoch in spanische Firmen blickt, ist es schon durchaus um einiges anders als in Deutschland. Die Führung ist noch sehr viel hierarchischer geprägt. Dazu habe ich an andere Stelle ja bereits einmal einen Blog-Artikel veröffentlich, den du hier findest. Und auch das Gehaltsniveau liegt deutlich unter dem deutschen Gehaltsniveau (ca. bei 50 %), was mich doch durchaus auch überrascht hat.

Eine der Hauptbranchen ist und bleibt der Tourismus. Das merkt man gerade in Barcelona sehr stark. Dennoch gibt es auch hier einen Wandel, so dass nun vor allem im Service-Bereich viel Personal fehlt, da dieses die prekären Arbeitsbedingungen so nicht mehr mitmachen will oder kann. Das deckt sich ja auch mit den Entwicklungen in anderen Ländern (vgl. den Trend „Great Resignation“).

Kultur

Lass uns über Kultur sprechen. Wir wohnen nun seit einem Jahr in Katalonien und Katalonien liegt in Spanien, dennoch ist Katalonien nur zu verstehen, wenn man sich mit der Geschichte, der Identität und natürlich auch den Unabhängigkeitsbestrebungen beschäftigt. Barcelona selbst ist sehr international geprägt und man wird in Geschäften als blonder Mensch mit hellerer Haut durchaus auf Englisch angesprochen. Wir wohnen jedoch etwas außerhalb und je weiter man aus Barcelona herausfährt, um so mehr wird klar, dass die Sprache Kataloniens Katalanisch ist.

Briefe vom Finanzamt kommen auf Katalanisch, die öffentliche Kommunikation der Stadtverwaltung ist auf Katalanisch und die Familiensprache vieler meiner Nachbar*innen ist auch Katalanisch. Mittlerweile lerne ich auch diese Sprache, denn ein besseres Verständnis und eine wirkliche Integration ist aus meiner Sicht nur möglich, wenn ich hier auch einen besseren sprachlichen Zugang habe.

Dennoch lerne ich gerade durch die Beschäftigung mit diesen Themen wahnsinnig viel über Identität, über Selbstverständnis, über Kultur und natürlich auch, wie eine Region geschichtlich geprägt wird. Ich bin hier definitiv noch nicht am Ende meiner Reise angekommen und bin gespannt, wie ich dies in der nächsten Zeit noch besser für mich (be)greifen kann.

Fazit

Ich möchte zum Abschluss noch gerne ein Zwischenfazit für mich ziehen. Seit meinem Studium bin ich begeistert von Spanien, der spanischen Sprache, aber auch der kulturellen Vielfalt der iberischen Halbinsel. Für mich stand immer fest: Wenn ich auswandere, dann nach Spanien. Jetzt bin ich hier und genieße die Lebensart, das Klima und natürlich auch die Dinge, die ich hier neu lerne und entdecke. Dennoch war es natürlich zu Beginn schwierig, sich eine neue Infrastruktur aufzubauen – in einem neuen Land, in dem wir sprachlich und kulturell schon auch immer mal wieder an Grenzen gestoßen sind.

Was mir jedoch sehr stark geholfen hat, waren meine vorherigen Auslandserfahrungen aus Frankreich, Österreich und natürlich Spanien. Spanien ist für mich mehr als Meer und Sangria – und ich fahre auch nicht jeden Tag zur Sagrada Familia. Was ich möchte, ist nicht das Touristenleben erfahren, sondern wirklich hier ankommen und das tägliche Leben hier für mich gestalten. Das ist mein Weg und ich bin gespannt, was die nächste Zeit hier für uns bringen wird.

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